Schweigen

Geschrieben von Berthold Glauer-Voß | Veröffentlicht in Schlei.Journal | am

Vor Kurzem bin ich wieder ausgerastet, weil mein Mann mal wieder nur geschwiegen hat. Eigentlich ist er ein eloquenter Typ. Zumindest im Job und Freundeskreis. Aber immer, wenn es etwas brenzlig zwischen uns wird, schweigt er mich an und es ist dann kein Gespräch und eine Klärung möglich. Ich habe dann kein Gegenüber, was sich mit meinen Anliegen, Gefühlen, Meinungen, Befürchtungen auseinandersetzt. Warum ist er so?

Das Schweigen des Partners oder der Partnerin in einer Beziehung ist eine frustrierende Erfahrung. Die Ursachen, warum einer oder beide in der Partnerschaft schweigen, liegen oft im Verborgenen. Es sei denn, man hat sich sehr auseinander gelebt und es ist in der Beziehung eiskalt geworden. Ansonsten sind die Gründe sehr unterschiedlich. Es macht immer einen Unterschied, ob ich im „Außen“, also im Beruf und bei sozialen Kontakten, kommuniziere oder mit meinem exklusiven Partner, meiner exklusiven Partnerin, wenn es um ernste, intime Themen, Konflikte und Gefühle geht. Es ist möglich, dass ich bei Außenkontakten fast immer über alles sprechen kann und auch in Konfliktsituationen ein souveränes Gegenüber bin, aber in meiner Paarbeziehung kann ich – wenn es brenzlig wird – stumm wie ein Fisch sein. Was könnten Gründe dafür sein? Zum Beispiel kann derjenige, der schweigt, sich (noch) nicht in der Lage fühlen, seine Reaktionen in Worte zu fassen, weil er es nie gelernt hat, über seine Gefühle zu sprechen. Oder der Betreffende fühlt sich zu sehr in eine bestimmte Richtung gedrängt und drückt damit seinen Ärger und seine Unzufriedenheit aus. Oder der Schweiger oder die Schweigerin möchte sein Gegenüber bestrafen. Oder es wird mit Schweigen eine Form von Notbremse gezogen, wenn der bisherige Verlauf des Gesprächs verwirrend und nicht nachvollziehbar war, und es dann erst mal angebracht ist, den Kontakt zu reduzieren, damit man sich selbst wieder spüren kann. Oder…?! Schweigen hat etwas mit Widerstand und Eigenschutz zu tun. Vielleicht, weil man seine Individualität schützen, unangenehme Gefühle und Themen vermeiden möchte, Forderungen des Partners abwehren und auch sein altes Selbstkonzept nicht infrage stellen (lassen) möchte. Wenn man zum Beispiel als Partner ausrastet, um den schweigenden Partner zum Reden zu bringen, dann werden die Widerstände und Selbstschutzmechanismen meistens noch stärker. Versuchen Sie, ruhig und sachlich zu einem späteren Zeitpunkt mit Ihrem Partner darüber ins Gespräch zu kommen, welches Verhalten Ihrerseits ihm helfen würde, damit es ihm im Zukunft leichter fällt, sich auch in brenzligen Situationen zu öffnen, sich mitzuteilen und mit Ihnen in einen konstruktiven Dialog zu treten. Beide brauchen hier Geduld und sollten sich auf eine echte Suche einlassen, bis sie das gefunden haben, was wirkt.