Zu spät?!

Geschrieben von Berthold Glauer-Voß | Veröffentlicht in Schlei.Journal | am

Seit Jahren befindet sich unsere Beziehung in einer absoluten Schieflage. Wir haben viel gestritten und uns immer mehr auseinander gelebt. Auch haben wir unsere Probleme immer wieder angesprochen, aber so richtig etwas für unsere Beziehung getan haben wir nicht. Ich weiß selber nicht, ob wir noch eine gemeinsame Zukunft haben. Ich möchte zur Paarberatung. Mein Mann nicht. Er möchte sich nun endgültig von mir trennen. Macht es Sinn, meinen Mann zu einer Paarberatung zu überreden?

Es gibt viele Paare, die wirklich außerordentlich leidensfähig sind: Sie haben schon seit Jahren oder sogar Jahrzehnten enorme Probleme in und mit ihrer Beziehung sowie ihrem Partner oder Partnerin. Auch nicht selten werden die problemauslösenden Anteile nur beim Partner gesehen. Wenn er/sie sich doch endlich ändern und anders verhalten würde, dann wäre ja alles gut. Also, soll er oder sie doch Hilfe nur für sich in Anspruch nehmen. Oder, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, dann wird es bestimmt besser. Oder, wenn das Haus abbezahlt ist, dann ist mehr Raum für gemeinsame Zeit. Oder, wenn …! Es gibt immer (auch gute) Gründe, sich nicht um sich, seine Beziehung und Liebe zu kümmern. Aber irgendwann ist es bei einigen Paaren wahrhaftig zu spät. Dies ist besonders bitter für denjenigen, der seiner Beziehung doch noch eine Chance geben und gemeinsam aufarbeiten und aufräumen möchte, der geliebte Partner es dann aber nicht mehr kann und möchte. Vielleicht ist die Liebe Ihres Mannes ja zurzeit nur verschüttet und vergraben und kann wieder ausgebuddelt werden. Aber vielleicht ist sein Vorrat an Liebe tatsächlich vollkommen aufgebraucht und nicht mehr vorhanden. Dann bringt auch eine Paarberatung nichts, denn um sich mit Verletzungen und Vorwürfen auseinanderzusetzen, braucht es Liebe auf beiden Seiten. Deshalb sollten Paare generell jedes Knirschen in einer Beziehung nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern jeder Einzelne sollte sehr achtsam mit sich und mit seinem Partner umgehen. Dazu gehört es, Differenzen, Probleme, Befürchtungen, Sorgen, Ängste und unangenehme Erfahrungen zu benennen und zu besprechen. Vieles wird sich dann auflösen, und man braucht keine Paartherapie. Aber bei immer wieder auftretenden und sich wiederholenden Paarproblemen sollte man sich professionelle Unterstützung organisieren. Und dies auch nicht erst nach Jahren, denn dann kann es vielleicht schon zu spät sein.