Auf die Freundschaft!

Geschrieben von Berthold Glauer-Voß | Veröffentlicht in Schlei.Journal | am

„Ooooooh!“, klingt es aus dem Radio. „Das kann uns keiner nehmen“ „Ooooooh! Lasst uns die Gläser heben…“

Zuerst dachte ich, wie blöd, jetzt gibt es ein neues Lied für Zechgelage. Falsch gedacht. Im neuen Song der Band Revolverheld geht es vielmehr um Freundschaft, Wiedersehen und gemeinsame Erinnerungen. Ähnlich das Lied „Klassenfahrt“ von Wingenfelder, da wird auch an alte Zeiten erinnert: „Weißt Du noch damals, …!“ Nach Häufigkeit der Radioeinsätze zu urteilen, kommen diese Songs momentan bei den Hörern gut an. Und ich ertappe mich auch dabei, dass ich ganz unbewusst mitsinge. Irgendwie versprühen diese beiden Lieder bei mir ein gutes Gefühl.

Freundschaft. Ein gutes Gefühl!

Wahre Freunde zu haben, ist ungemein wertvoll. Mit Freunden kann ich Spaß und gute Gespräche haben, Anregungen erhalten, auf andere Gedanken kommen, Hilfe erfahren und geben. Mal ist das Geben und Nehmen einseitig, mal ausgeglichen, und die Rollen wechseln, wenn das Leben es erfordert. Freunde nehmen mich in Schutz, stehen zu mir, auch wenn ich mal blöd war und einen Fehler gemacht habe. Freunde geben mir Energie und sind eine Abwechslung vom Alltag. Wahren Freunden darf ich vertrauen und mich anvertrauen. Sie nehmen Anteil an mein Leben und halten mir den Spiegel vor, sie sind dabei kritisch und ehrlich und sollen es auch sein. Es gibt Freunde, mit denen ich mich regelmäßig zum Essen treffe und den Jahreswechsel verbringe. Es gibt Freunde, die ich nur selten oder unregelmäßig sehe. Es gibt Freundschaften, die schon uralt sind, einige werden mal mehr, mal weniger gepflegt, und trotzdem ist eine tiefe Verbundenheit vorhanden, auch wenn man sich seit langer Zeit nicht gesehen hat. Freunde stärken mein Selbstwertgefühl und nehmen mir Angst.

Freundschaften sind nicht selbstverständlich!

Ich bin froh, dass ich ein stabiles Freundschaftsnetz schon in der Kindheit und Jugend erfahren durfte. Meine Eltern haben mich darin unterstützt, Freundschaften zu pflegen und sie waren Vorbild. Sie hatten Freunde und haben selbst jetzt noch im hohen und Alter wahre Freunde. Das beruhigt mich als Sohn.

Es gibt Freundschaften, deren Haltbarkeitsdatum abläuft, weil man sich verschieden entwickelt, eine gegen- und wechselseitige Basis nicht mehr vorhanden ist, oder grobe Verstöße geschehen sind. Freundschaften werden nicht selten in verschiedenen Lebensphasen aufs Spiel gesetzt oder aufgegeben. Wenn ich mich nur noch auf mein Leben, also Arbeit, Liebesbeziehung und Familie konzentriere, dann kann es sein, dass Freundschaften auf der Strecke bleiben und ich sie nach längerer Abstinenz nicht einfach wieder aktivieren kann. Schlimmstenfalls stehe ich dann irgendwann alleine da.

Deswegen sollten Freundschaften zumindest immer etwas gepflegt werden. Und wenn es sich um eine wahre Freundschaft handelt, ist dieses Quäntchen an Freundschaftspflege auch nicht stressig und unangenehm. Aber aufraffen muss man sich manchmal schon. Und deshalb machte ich mich trotz einer hinter mir anstrengenden Arbeitswoche auf, um den Geburtstag einer Freundin in Niedersachen zu feiern. Ich musste mich wirklich disziplinieren. Schon am Vortag des Festes suchte ich nach Argumenten, mich nicht auf den Weg zu machen. Und ich habe sie natürlich gefunden: Mein ungepflegter Garten, die liegenbleibende Hausarbeit und dann noch der obligatorische Wochenendstau vor der Rader Hochbrücke. Aber es hat sich gelohnt: Marode ist die Rader-Hochbrücke, aber nicht meine Freundschaft, die trägt. Das kann mir keiner nehmen.